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AutorenbildHG Pfaff

Mit der HANSEATIC nature/ Hapag-Lloyd Cruises in die Antarktis.

Aktualisiert: 9. Sept. 2021


Mittwoch, 4. Dezember 2019 (Ushuaia)


54°48,6′ S068°18,08′ W


​Auszüge Logbuch NAT1919 von Lektor Prof Dr. Ingo Heidbrink.

Fotos von E. & HG. Pfaff für Hapag-Lloyd Cruises.



Nach einer langen Anreise ist schließlich Ushuaia erreicht und die HANSEATIC nature wartet bereits an der Pier. Während die Gäste an Bord kommen werden noch die letzten Vorbereitungen für die bevorstehende Reise getroffen und vor allem wird Diesel gebunkert, um für die anstehende lange Reise auch wirklich ausreichend mit Brennstoff versorgt zu sein. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Diesel und keinesfalls um Schweröl, dessen Einsatz in der Antarktis auch gar nicht zulässig wäre, da es gilt, einen möglichst wenig umweltbelastenden Schiffsbetrieb sicher zu stellen.


An Bord heißt es zunächst, die Kabinen zu beziehen und das Schiff kennen zu lernen, oder auch von Deck aus das Panorama auf die Stadt zu genießen. Ushuaia, das ist nicht nur die südlichste argentinische Stadt, sondern auch die südlichste wirkliche Stadt der Welt. Einzig das chilenische Puerto Williams am Südufer des Beagle Kanals liegt noch ein klein wenig südlicher, aber Puerto Williams ist noch immer primär eine Militärsiedlung und keine wirkliche Stadt auch wenn der Anteil der zivilen Bevölkerung in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Die komplizierte Geopolitik der Region zeigt sich auch gleich eindrucksvoll in Ushuaia, das aus argentinischer Sicht nicht nur die Hauptstadt der südlichsten Provinz des Landes ist, sondern auch diejenige der Islas Malvinas, oder eben der Falklandinseln, und des argentinischen Antarktisgebietes. Aus britischer oder chilenischer Sicht sieht dies natürlich völlig anders aus und die Falklandinseln sind aus dieser Perspektive eindeutig britisch und die Antarktis entweder umstrittenes Gebiet oder ausschließlich den Regelungen des Antarktisvertrages unterliegendes internationales Gebiet.

Um 18:15 Uhr folgt die obligatorische Sicherheitsübung für sämtliche Passagiere und dann heißt es zum ersten Mal das gastronomische Angebot des Schiffes zu genießen. Um 20:00 Uhr ist es dann so weit, dass es Leinen Los heißt und die HANSEATIC nature Kurs auf See nimmt. Doch bevor die offene See erreicht ist gilt es noch mittels der Hilfe eines Lotsen, die Passage durch den Beagle Kanal zu meistern. Sowohl auf der argentinischen Uferseite an Backbord wie auch der chilenischen an Steuerbord zeigen sich die schneebedeckten Berge des südlichsten Teils Südamerikas und vom Ufer bis zur Baumgrenze in ca 600m Höhe die letzten Wälder, die für die kommende Zeit der Reise zu sehen sein werden. Ganz gleich ob in der Bar, auf Deck oder in der Kabine – ein langer Tag geht dem Ende entgegen und die Expedition der HANSEATIC nature hat begonnen.

Unmittelbar nach dem Frühstück steht bereits der erste Punkt auf dem Tagesprogramm an: Die Ausgabe der Expeditionsparkas und der Gummistiefel. Das Pooldeck der HANSEATIC nature verwandelt sich in einen Anproberaum und nach recht kurzer Zeit verfügen alle Passagiere über Expeditionsparkas und Gummistiefel in den richtigen Größen.

Nachdem die richtige Ausrüstung fuer die Anlandungen der nächsten Tage jetzt bereitsteht stellt Expeditionsdirektorin Nadine Armbrust die Mitglieder des Expeditionsteams vor, die sich in ganz ver- schiedenen Positionen darum kümmern werden, dass diese Reise ein unvergessliches Erlebnis werden wird. So werden die Experten nicht nur Vorträge aus ihren jeweiligen Spezialgebieten halten, sondern natürlich auch stets für Fragen an Land und an Bord ansprechbar sein. Zusätzlich zum Expeditionsteam werden auch die weiteren Mitglieder des Staff vorgestellt und somit sind die Gesichter, die sich in den kommenden Tagen immer wieder an verschiedensten Stellen des Schiffes zeigen werden, zumindest schon ein wenig bekannt.


Das Schiff dampft dabei stetig weiter gen Osten während die See sich von ihrer für diese Region der Welt typischen Seite zeigt, so dass die HANSEATIC nature zumindest ein wenig in Bewegung gerät. Dank der Stabilisatoren bleibt die Bewegung jedoch in einem Bereich, der für die meisten Gäste an Bord keinerlei Probleme verursacht.

In einem ersten Pre-Cap, also einer Vorschau auf den kommenden Tag, stellt Expeditionsleiter Dr. Arne Kertelhein die Planungen für den morgigen Tag vor und gibt Tipps, was es alles in Stanley, der Hauptstadt der Falklandinseln zu entdecken gibt. Um 10:45 eröffnet Sylvia Stevens das Vortragsprogramm dieser Reise mit ihrem Vortrag „Die Falklandinseln – Großbritanniens einsamer Vorposten“.

Am Nachmittag sind die Experten auch erstmals in der Ocean Academy anzutreffen und erklären, wie die 24-Stunden täglich verfügbare Academy genutzt werden kann, um sich über das Fahrtgebiet zu informieren und ein breites Wissensangebot zu nahezu allen Fragen mit Bezug auf die von den Expeditionsschiffen der Hapag-Lloyd Flotte befahrenen Regionen der Erde zu erschließen. Natürlich steht ebenfalls das umfangreiche Wissen der Experten selbst zur Verfügung und so finden sich nach kurzer Zeit zahlreiche Gesprächsgruppen zusammen und vom Achterschiff aus wird fachkundig erläutert, welche Seevögel gerade dem Schiff folgen.

Heike Fries hält am späten Nachmittag ihren Vortrag „Subpolare Traumstrände – Eine geologische Zeitreise zu den Ursprüngen der Falklandinseln“ und damit steht dem morgigen Besuch dieser Inseln nun wirklich nichts mehr im Weg, da jetzt auf jeden Fall eine ausreichende Wissensbasis vorhanden ist. Ob die bis heute seitens Argentiniens erhobenen Ansprüche auf die Islas Malvinas, wie die Inseln auf Spanisch bezeichnet werden, in irgendeiner Form gerechtfertigt sein mögen oder nicht ist vielleicht die einzige Frage, die während des Tages nicht hundertprozentig beantwortet werden konnte oder schlicht vom jeweiligen Standpunkt des Betrachters abhängt. Fakt ist, dass Großbritannien 1982 siegreich aus dem Krieg mit Argentinien um die Hoheit über die Insel hervorging. Fakt ist aber ebenso, dass die historischen Ansprüche Argentiniens in Nachfolge des spanischen Kolonialreiches ebenso wenig von der Hand zu weisen sind wie diejenigen Großbritanniens und damit die seitens der UN vorgeschlagene Namenskonvention Falklandinseln (Islas Malvinas) bzw. in spanischsprachigen Veröffentlichungen Islas Malvinas (Falklandinseln) vielleicht nicht die schlechteste Version ist, um über eine langfristige Zukunft der Inseln nachzudenken.


Um 18:30 Uhr lädt Kapitän Natke zum traditionellen Kapitänscocktail am Beginn einer jeden Reise ein, und jetzt stellen sich auch die leitenden Offiziere des Schiffes vor. Danach heißt es den Abend zu genießen und sich auf den morgigen Besuch in Stanley vorzubereiten.


Freitag, 6. Dezember 2019 (Stanley – Falklandinseln)

Gleich am frühen Vormittag steht für die HANSEATIC nature eine schwierige aber auch besonders schöne Passage auf dem Programm: die Passage der sogenannten Narrows, des Zugangs nach Port Stanley. Mit nur knapp 300 m Breite und einer Fahrrinnenbreite von gerade einmal 70 m sind die Narrows gerade an windigen Tagen eine Herausforderung für jedes auch nur etwas größere Schiff. Sobald die Engstelle passiert ist kann die HANSEATIC nature dann jedoch in einem der best geschützten Häfen des gesamten Südatlantiks vor Anker gehen. Kurz nach dem der Anker gefallen ist nimmt der erste Tender Kurs auf die Anlegebrücke und die Erkundung von Stanley, der Hauptstadt der Falklandinseln kann beginnen. Als ein besonderes Highlight hat das Team der HANSEATIC nature sich entschlossen, noch kurzfristig einen Shuttlebus nach Gypsy Cove zu organisieren und so kann zusätzlich zur Stadt auch noch eine der schönsten Buchten der gesamten Inselgruppe besucht werden. Hier brüten Magellanpinguine in Erdhöhlen direkt links und rechts des Weges und auch am Strand sind die Vögel in großer Zahl zu sehen. Ebenso sind aber auch die Zeugnisse zweier schwieriger Epochen der Geschichte der Falklandinsel hier zu finden. Eine verrostete Kanone aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges berichtet davon, dass selbst diese Inseln am Ende der Welt nicht von der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts verschont geblieben war und Warnschilder weisen eindringlich darauf hin, den Weg nicht zu verlassen, da noch immer einzelne Minen aus der Zeit des Falklandkrieges im Jahr 1982 sich in dem Gelände befinden könnten. Wie ernst diese Schilder gemeint sind, zeigt sich spätestens wenn man realisiert, dass die zwei Menschen, die sich im gesperrten Gebiet befinden, Minenräumer bei der aktiven Suche nach diesen noch immer tödlichen Hinterlassenschaften des Krieges sind.


51°41,3 S

057°50,2′ W, 8 °C

Sonnenaufgang: 04:29 , Sonnenuntergang: 20:56


Bei der Erkundung der kleinen Stadt zeigt sich schnell, dass es sich um den vielleicht britischsten Ort auf der ganzen Welt handelt. Britische Fahnen wo man hinschaut und auch der ein oder andere nicht allzu dezente Hinweis darauf, wie hier von vielen Bewohnern über Argentinien gedacht wird. Im Museum des Ortes findet sich dann aber eine differenziertere Darstellung, die vor allem zeigt, was es bedeutete 1982 auf der Insel zu leben und im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht realisieren zu müssen, dass aus dem verschlafenen Städtchen ein Kriegsschauplatz geworden war und auf einmal Panzer und Maschinengewehre im eigenen Vorgarten zu finden waren. Die weiteren Ausstellungen des sehenswerten kleinen Museums zeigen die Geschichte des Alltags auf der Insel, der Bedeutung der Inseln als Nothafen und Repara- turstandort für die Schifffahrt um Kap Hoorn und als Ausgangs-punkt für die Erschließung Südgeorgiens und der Antarktis. Als Historiker, der lange selbst in Museen gearbeitet hat und u.a. zur Funktion von Museen für ihre jeweiligen Gesell- schaften forscht, lässt es sich Ingo Heidbrink nicht nehmen, eine Führung im Museum anzubieten und eröffnet dabei die ein oder andere Perspektive auf ein Exponat, die sich vielleicht nur beim Lesen der Beschriftung nicht erschlossen hätte.


Für die Mitglieder des Hapag-Lloyd Cruises Club gibt es auch noch den traditionellen Club Cocktail, der allerdings ausnahmsweise nicht an Bord stattfindet, sondern im Globe, d.h. einem der typisch britischen Pubs der Insel. In den verschiedenen Läden der Stadt finden sich Pinguinsouvenirs in wirklich allen nur denkbaren Formen und wohl kaum ein Gast wird die Stadt verlassen, ohne zumindest eines dieser Souvenirs erworben zu haben. Der obligatorische Besuch bei der Post rundet für die meisten Gäste den Besuch der Hauptstadt der Falklandinseln ab oder aber es geht noch in eines der Cafés oder einen typischen britischen Pub. Die Crew der HANSEATIC nature nutzt dann auch noch die letzte Gelegenheit dieser Reise, um Frischvorräte für die Kombüse zu ergänzen, denn dank des zwar stets windigen aber doch recht milden Klimas gibt es auf den Falklandinseln selbst gewerblichen Gemüseanbau.

Um 16:30 Uhr verlässt der letzte Tender die Landstation und die HANSEATIC nature nimmt erneut Kurs durch die Narrows, um in den kommenden zwei Tagen Südgeorgien anzusteuern. Das Wetter hat sich während des gesamten Besuches in seiner vielleicht typischsten Form für die Falklandinseln gezeigt, in dem es durchgängig windig war und ansonsten von Sonne über Regen bis Hagel alles dabei war.

Zurück an Bord heißt es entweder zu entspannen oder auch eine heiße Dusche zu nehmen und dabei vielleicht auch ein wenig darüber nachzudenken, dass dieses ein Luxus ist, der keinesfalls für alle Seeleute, die den Hafen Stanley besuchen, selbstverständlich ist. So zeugen die Hinweise der katholischen Seemannsmission auf die Verfügbarkeit von Duschen an Land und vor allem die zugehörige Preisliste, die für die Besatzungen von Fischereifahrzeugen einen Rabatt von 50% auf den ohnehin niedrigen Preis einräumt, davon, wie es mit den Hygieneverhältnissen an Bord der die Inseln besuchenden Fischereifahrzeuge teilweise aussehen mag. Neben dem Tourismus ist die Fischerei bzw. der Verkauf von Fangquoten an oftmals asiatische Fischereiunternehmen eine der gegenwärtigen Haupteinnahmequellen der Insel während die ehemals ökonomisch wichtige Schafszucht bestenfalls noch eine untergeordnete Rolle spielt.


Um 18:30 Uhr lädt das Expeditionsteam zu einem ersten Re- Cap ein und bietet noch einmal einen Rückblick auf den Tag in Stanley an und informiert über die ein oder andere Besonderheit, die vielleicht nicht jeder Gast gesehen haben mag, bzw. steht vor allem auch für Rückfragen aller Art zur Verfügung

Während die Überfahrt nach Südgeorgien jetzt begonnen hat, heißt es den Abend an Bord zu genießen und sich auf die eisige Welt Südgeorgiens und der Antarktis vorzubereiten.



52°24,8′ S, 051°27,3′ W

6 °C

Sonnenaufgang: 03:56 , Sonnenuntergang: 20:33


Bereits am ersten von zwei Seetagen auf dem Weg nach Südgeorgien zeigt sich der Südliche Ozean vielleicht von seiner typischsten Seite. Eine stetige lange Dünung von achtern, steifer Wind und alle Wetterarten von Sonne über Regen bis hin zu einzelnen kurzen Schneeschauern. Trotz des Schwells in Höhe von drei bis vier Metern liegt dieHANSEATIC nature vergleichsweise ruhig in der See, aber bewegt sich doch so viel, dass sich erahnen lässt, was es hieß, in diesen Gewässern in einer Zeit unterwegs zu sein, in der es noch keine automatisch geregelten Schlingerflossen gab und statt einer geschlossenen Brücke einen offenen dem Wetter ausgesetzten Steuerstand.

Während das Schiff sich stetig seinen Weg in Richtung Osten bahnt verwandelt es sich fuer die Passagiere erneut in eine schwimmende Universität. Bereits am frühen Vormittag sind die Experten in der Ocean Academy zu finden und stehen für alle Fragen zu dem Seegebiet oder auch zu den in den kommenden Tagen zu besuchenden Inseln zur Verfügung. Um 10:00 Uhr beginnt Heike Fries das Vortragsprogramm des Tages mit ihrem Vortrag: „Das Dach des Ozeans: Geologie South Georgia, Hochgebirge im Südpolarmeer“. Bereits um 11:30 Uhr folgt ihr Sylvia Stevens mit dem Vortrag: „Südgeorgien – Das Kronjuwel“ und um 16:45 schließt Arne Kertelhein die Vortragsreihe mit deinem Vortrag: „Der legendäre „Boss“ – Shackleton’s Antarktisfahrten“ ab. Selbstverständlich ist am Nachmittag die Ocean Academy auch wieder besetzt und für die Gäste, die sich zwischen dem ganzen Wissensangebot auch einfach einmal entspannen oder verwöhnen lassen wollen, stehen selbstverständlich auch alle anderen Einrichtungen und Angebote an Bord zur Verfügung. Um 18:30 Uhr lädt die Besatzung der HANSEATIC nature all diejenigen Gäste zum Erstfahrer Aperitif ein, die sich zum ersten mal an Bord eines der Schiffe der Hapag Lloyd Flotte befinden und um 21:30 Uhr plaudern Expeditionsdirektorin Nadine Armbrust, Hoteldirektorin Tiziana La Rocca und Kapitän Thilo Natke noch ein wenig aus dem Nähkästchen und berichten über Fragen, wie solch eine Expeditionsreise überhaupt zu Stande kommt, welche Genehmigungen erforderlich sind oder auch wie es eigentlich mit der Proviantierung für solch eine Reise mit insgesamt über 300 Personen an Bord funktioniert.

Insgesamt erscheint der Seetag am Abend wie im Fluge vergangen zu sein und doch ist es erst die Hälfte der Strecke bis Südgeorgien, was einem vielleicht einen Eindruck von den gewaltigen Dimensionen des Südlichen Ozeans geben mag oder auch davon, wie abgelegen Südgeorgien tatsächlich liegt, und dass es außer der mehrtägigen Schiffsreise auch im 21. Jahrhundert noch immer keinen anderen Weg gibt, auf diese Insel zu gelangen.


Sonntag, 8. Dezember 2019 (auf See / Shag Rocks)


Am Vormittag zeigt sich der Südliche Ozean von einer seiner schönsten Seiten. Blauer Himmel und eine leichte Dünung lassen nahezu den Eindruck aufkommen, dass sich die HANSEATIC nature in der Südsee und nicht im Südlichen Ozean befinden würde. Bei einem Gang auf die Außendecks wird jedoch schnell klar, dass die Temperaturen in diesen beiden Meeren auch bei schönem Wetter recht unterschiedlich sind.

Bereits gestern Abend gegen 22:00 Uhr wurde die sogenannte Antarktische Konvergenz, also die naturräumliche Grenze der Antarktischen Gewässer passiert. Auch wenn diese Grenze nicht direkt ersichtlich ist zeigt sie sich gerade im Bereich der Wassertemperatur deutlich. So betrug die Wassertemperatur nördlich der Konvergenz noch fünfeinhalb Grad Celsius, sank dann aber während der Passage durch die Konvergenz innerhalb von nur einer Stunde auf zweieinhalb Grad Celsius ab. Kurz gesagt, die HANSEATIC nature hat die Antarktis zumindest in naturräumlicher Perspektive erreicht.

Um 10:00 Uhr steht dann ein wenig Pflichtprogramm an. Zunächst die Einweisung in das Verhalten bei der Nutzung der Zodiac-Boote. Diese schnellen und wendigen Boote werden in den kommenden Tagen zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Besatzung werden, um die Gäste sicher an Land zu bringen oder während einer Zodiac-Cruise in unmittelbare Nähe besonders schöner Stellen der Region zu gelangen.

Unmittelbar im Anschluss erläutert Expeditionsleiter Arne Kertelhein die Spielregeln für den Besuch Südgeorgiens und der Antarktis im sogenannten IAATO Briefing. Viele dieser Regeln sind für jeden Menschen, der einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit der Natur gewohnt ist, eine Selbstverständlichkeit, doch ist es gut, noch einmal bewusst an diese erinnert zu werden, da manchmal auch Kleinigkeiten einen großen Unterschied machen Können. Andere Verhaltenshinweise sind jedoch mit Sicherheit für fast alle Gäste völlig neu und besonders wichtig, da die Tierwelt der Antarktis besonders sensibel ist und vor allem keine Menschen kennt. Somit sind Mindestabstände und die weiteren vorgestellten spezifische Verhaltensweisen nicht nur verbindlich vorgeschrieben, sondern auch schlicht und einfach notwendig. Natürlich geben die Experten und die weiteren Mitglieder des Expeditionsteams auch in den kommenden Tagen gerne jederzeit Auskunft zu diesen Verhaltensregeln und werden schlimmstenfalls auch einmal den ein oder anderen Gast an diese erinnern – hoffentlich stets bevor es zu einer entsprechenden Situation kommt.

Mindestens genau so wichtig wie die Informationen zum richtigen Verhalten in den Zodiacs, auf Südgeorgien und in der Antarktis ist die unmittelbar nach dem IAATO Briefing folgende Bio- Security Inspection. Eingebrachte Pflanzen, Samen und Tiere oder eben vereinfacht invasive Arten sind eine der größten Gefährdungen für die empfindlichen Ökosysteme dieser Region der Erde. Auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass ein Tier als invasive Art von einem Expeditionskreuzfahrtschiff in diese Region verbracht wird, sind Pflanzen und Samen aller Art eine äußerst reale Gefahr. Gerade in den Klettverschlüssen der Spritzwasserhosen und Jacken setzen sich gerne Pflanzensamen fest und, in der ein oder anderen Tasche findet sich auch ebenso gern pflanzliches Material oder auch nur der Sand vom letzten Strand. Um sicher zu stellen, dass all dies nicht an Land gelangt, wird die gesamte Ausrüstung kontrolliert und mit den bereitstehenden Staubsaugern, Bürsten und Büroklammern können auch die letzten Mitbringsel aus anderen 16 Regionen entfernt werden, so dass einem ersten Landgang am kommenden Tag auch wirklich nichts mehr entgegen steht. Mit fünf Staubsaugern und dem gesamten Expeditionsteam im Hanse Atrium ist die Bio-Security Inspection bzw. dass große Saubermachen dann auch in kurzer Zeit erledigt und die Bio-Security Declaration kann von jedem Gast mit gutem Gewissen unterschrieben werden. Die kleine Unterbrechung durch die erste Sichtung von Buckelwalen während dieser Reise tut der Effizienz der Bio-Security Inspection keinerlei Abbruch, bietet aber einen willkommene Abwechslung und vielleicht auch einen indirekten Hinweis darauf, dass es sich bei der Inspection keinesfalls nur um eine rein administrative Formalie handelt, sondern es in dieser Region der Erde eine wirklich besondere und schützenswerte Flora und Fauna gibt.

Kurz bevor gegen 14:00 Uhr die Shag Rocks erreicht werden zeigen sich die ersten Wale der Reise. Während zunächst nur vereinzelte Blase zu sehen sind, zeigt sich schnell, dass es eine größere Gruppe Tiere ist, die hier im krillreichen Auftriebsgebiet zum Fressen versammelt haben. Dank der günstigen Wind- und Seegangsbedingungen kann Kapitän Natke die HANSEATIC nature bis auf wenige hundert Meter an die Shag Rocks heran manövrieren, so dass die zahlreichen auf den drei Felsen brütenden Blauaugenkormorane von den Außendecks und insbesondere vom nature walk am Bug des Schiffes gut beobachtet werden können. Der strahlend blaue Himmel und der Sonnenschein tragen ein Übriges dazu bei, dass sich nahezu jeder Gast zumindest vorübergehend auf Deck befindet. Selbst einer der seltenen Glattwale zeigt sich kurzfristig.

Hierzu passend erläutert Wolfgang Wenzel in seinem Vortrag Seevögel der südlichen Breiten sowohl die Blauaugenkormorane wie auch die übrigen Seevogelarten, die bereits gesichtet wurden oder möglicherweise in den kommenden Tagen noch gesichtet werden. Wenig später folgt Ingo Heidbrink mit seinem Vortrag zur Walfanggeschichte in dem er erläutert, wie und warum diese Tiere zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in den antarktischen Gewässern bis an den Rand der totalen Vernichtung gebracht wurden.

Um 18:30 Uhr gibt Expeditionsleiter Arne Kertelhein eine Vorschau auf das Programm der kommenden zwei Tage. Tage, die randvoll mit unterschiedlichsten Aktivitäten gefüllt sein werden, um Südgeorgien in seiner ganzen Vielfalt kennenlernen zu können.


Montag, 9. Dezember 2019 (Fortuna Bay, Stromness, Grytviken - Südgeorgien)


Am frühen Vormittag ist die Fortuna Bay auf Südgeorgien erreicht und die bei einem schnellen Stopp werden die Wanderer in der Fortuna Bay Land gesetzt, die sich auf den Weg machen wollen, um den letzten Teil der Strecke von Shackleton’s legendärer Überquerung Südgeorgiens selber zu erwandern.

Während die HANSEATIC nature sich auf den Weg zur Walfangstation Stromness macht, beginnen die Wanderer mit einem recht steilen Aufstieg die insgesamt knapp sieben Kilometer lange Tour, die sie ebenfalls nach Stromness führen wird. Allerdings wird es während der Wanderung zwar auch faszinierende Ausblicke geben, doch vor allem bietet sich die Gelegenheit, einen kleinen Eindruck von der Hochgebirgswelt des inneren Südgeorgiens zu erhalten.


​54°05,6′ S, 036°41,1′ W, 4 °C

Sonnenaufgang: 03:49, Sonnenuntergang: 20:49


​Während die Wanderer sich auf den Weg über den rund 300 m über dem Meeresspiegel gelegenen Pass machen passiert das Schiff die ehemalige Walfangstation Leith und von Deck aus lässt sich bereits hier erkennen, wie diese Industrie ehemals ausgesehen hat. Wenig später heißt es in Stromness in unmittelbarer Nähe der dortigen Walfangstation an Land zu gehen, was sich allerdings angesichts der großen Zahl von Pelzrobben als eine ziemliche Herausforderung erweist.

Nach einiger Zeit findet sich schließlich ein Pfad über den Strand, der nicht vollständig von Pelzrobben belagert ist und es kommt zur ersten Begegnung zwischen den Passagieren und den neugierigen und gelegentlich auch aggressiv erscheinenden Tieren. Sobald der unmittelbare Strandbereich verlassen ist lässt auch die Dichte der Tiere nach und sie können in Ruhe aus der notwendigen Distanz beobachtet werden. Es ist Frühling auf Südgeorgien und damit auch die Zeit in der die Pelzrobben ihren Nachwuchs bekommen. Zahllose, nur wenige Tage zuvor geborene, Pelzrobben und selbst eine Geburt sind zu sehen, und selbstverständlich auch die Skuas die auf eine gute Gelegenheit hoffen eines der Neugeborenen in einem unbeobachteten Moment ergreifen zu können oder auch nur die Nachgeburt abzugreifen. Vom Strand aus kann dann auch den Wanderern entgegen gelaufen werden und es ist auch von dieser Seite aus möglich, bis zum Shakleton Wasserfall zu gelangen. Schließlich heißt es, Abschied von dieser Landestelle zu nehmen, und nach kurzer Zeit ist die Cumberland Bay und damit das Zentrum Südgeorgiens erreicht.

Vor King Edward Point, dem Sitz der Verwaltung der Inselgruppe werden die Vertreter der lokalen Behörden an Bord genommen und das Schiff wird einklariert. Vor allem werden noch einmal die Stiefel und Klettverschlüsse von den Behörden kontrolliert, um sicher zu stellen, dass auch wirklich kein fremdes Material eingebracht wird, dass die empfindliche Vegetation als invasive Art verdrängen könnte. Die HANSEATIC nature erreicht eine Bewertung von 99% und damit ein fast optimales Ergebnis bei der Bio Security Inspection. An Land gilt es dann die ehemalige Walfangstation und das Südgeorgien Museum zu erkunden. Walfangexperte Ingo Heidbrink steht auf dem Flensplan bereit, um den Prozess der Verarbeitung zu erläutern und zu erklären, dass es nicht einmal eine halbe Stunde dauerte, bis von einem an Land gebrachten Wal nicht ein einziges Stück mehr auf dem Flensplan zu sehen war. Vor

dem Museum hat die Hotelcrew unter der Leitung von Hoteldirektorin Tiziana La Rocca noch eine besondere Überraschung vorbereitet: Glühwein und heiße Schokolade. So gestärkt können dann noch Postkarten und selbst traditionelle Aerogramme aus dem Postamt der Insel auf den Weg gebracht werden. Ob sie allerdings früher als die Gäste selbst zuhause ankommen werden kann durchaus bezweifelt werden, aber sie tragen auf jeden Fall einen der seltensten Poststempel dieser Erde. Kurz vor Ende der Anlandung hält Kapitän Natke am Grab von Sir Ernest Shackleton der Tradition entsprechend eine kurze Ansprache und bringt einen ebenso traditionellen Toast aus.

Ein Besuch der kleinen norwegischen Walfängerkapelle lädt auch zu einem Moment der Besinnlichkeit ein und sich vielleicht ein paar Gedanken darüber zu machen, was es hieß, hier an diesem Ort eine Saison in nahezu völliger Isolation vom Rest der Welt zu verbringen. Immerhin gab es mit einer gut ausgestatteten Bibliothek, einem Kino, einem Fußballplatz und selbst eine Skisprungschanze ein durchaus breites Freizeitangebot, doch dürfte durchaus die Frage zu stellen sein, wie viel Freizeit es denn gab. Schließlich galt es die Saison zu nutzen und lange Arbeitstage ohne wirkliche Wochenenden waren der Alltag der Männer die auf der Station arbeiteten wie auch derjenigen, die die Fangboote besetzten. Die drei bei der Station auf den Strand gesetzten ehemaligen Fangboote veranschaulichen noch einmal aus unmittelbarer Nähe wie vergleichsweise klein diese Schiffe waren und ein Blick auf die Linien der Rümpfe der Schiffe lässt erkennen, dass es sich um extrem wendige Fahrzeuge handelte, deren Entwürfe so weit ausoptimiert waren, dass sie zugunsten dieser extremen Beweglichkeit kaum Restsicherheiten besaßen, sondern theoretisch fähig waren, selbst bei ruhiger See nur mittels Maschine und Ruder zum Kentern gebracht werden zu können. Ein Schicksal, das ein deutsches Fangboot in den 1930er Jahren schon bei der Probefahrt auf der Unterweser vor Bremerhaven ereilte.

Der erste von zwei Tagen auf Südgeorgien geht schließlich seinem Ende entgegen und es gilt, die ganzen Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten oder auch schlicht die Daten von den Kameras herunterzuladen.


Dienstag, 10. Dezember (Gold Harbour, Cooper Bay, Drygalski Fjord)


Heute heißt es früh aufzustehen, denn mit Gold Harbour steht am Vormittag eine der Landestellen auf dem Programm, die von vielen Experten als einer der schönsten Plätze Südgeorgiens betrachtet wird, an der aber auch das Risiko katabatischer Stürme vergleichsweise groß ist, und dies Risiko steigt gegen Mittag aufgrund der höheren Temperaturen deutlich an. An Land angekommen wird sofort deutlich, dass es sich hier um ein echtes Highlight handelt. Die Hoffnungen, dass in dieser Bucht Gold zu finden sei, zerschlugen sich zwar schnell, denn es handelt sich bei dem goldfarbenen Material um Eisenpyrit, gelegentlich auch als Katzengold bezeichnet, und damit ein nahezu wertloses Mineral, aber genau diese Enttäuschung hat natürlich auch dazu geführt, dass die Natur weitgehend ungestört geblieben ist. Unmittelbar an der Lande- stelle liegen junge See- elephanten auf dem Strand und verbringen die Zeit des jährlichen Fell- wechsels in relativer Ruhe und Gelassenheit. Trotzdem kommt es immer mal wieder vor, dass einige der jungen Bullen in einem ersten Kräftemessen für spätere Auseinandersetzungen um die Paarung miteinander ausfechten, wer der jeweils Stärkere ist. Das Aufeinanderprallen der mehreren hundert Kilogramm schweren Jungtiere vermittelt bereits eindrucksvoll wie es denn erst aussehen mag, wenn zwei ausgewachsene Bullen von mehr als einer Tonne Gewicht

aufeinanderstoßen. Das eigentliche Highlight ist aber mit Sicherheit die Kolonie der Königspinguine, die nach einem kurzen Spaziergang erreicht wird. Tausende Brutpaare und ihr Nachwuchs sind hier zu finden und laden nicht nur zur Beobachtung sondern auch zu Vergleichen mit menschlichem Verhalten ein. Ein wenig abseits der eigentlichen Kolonie stehen in einem kleinen Wasserlauf erwachsene Tiere, die sich in der alljährlichen Mauser befinden und daher besonders störungsanfällig sind. Während der Mauser können die Tiere nicht ins Wasser und so kommt zur energieaufwendigen Mauser, bei der das gesamte Federkleid innerhalb kurzer Zeit ersetzt wird, auch noch hinzu, dass die Tiere in dieser Zeit keine Nahrung aufnehmen können. Angesichts der beeindruckenden Tierwelt gerät die mindestens ebenso beeindruckende Landschaft fast in Hintertreffen. Für diejenigen Gäste, die es schaffen, ihren Blick auch nur einen Moment von den Pinguinen und Seeelephanten zu lösen, bietet sich aber ein beeindruckendes Berg- und Gletscherpanorama.


Nach dem Mittagessen geht es in der Cooper Bay erneut in die Boote. Diesmal allerdings nicht, um an Land zu gehen, sondern, um während einer Zodiaccruise die bereits von Captain Cook erkundete Cooper Bucht ganz im Südosten Südgeorgiens zu erkunden. Neben einer beeindruckenden Geologie mit kleinen Buchten, Höhlen und vielen anderen Formationen sind es hier vor allem die Goldschopfpinguine auf die sich Augen und Objektive richten. Es sind aber auch weiterhin Pelzrobben zu finden und selbst die ersten Zügelpinguine. Der ca. zwei Meter hohe Schwell lässt die Boote dabei deutlich auf und nieder gehen und erfordert von den Fahrern viel Geschick, wenn es gilt in die kleinen Felsbuchten hinein zu manövrieren. Der Schwell ermöglicht aber auch einen guten

Blick auf den Kelp, der als eine der schnellst wachsenden Algen der Erde, nicht nur die Felsen in der Brandungszone bedeckt, sondern auch im Wasser davor zu sehen ist und quasi einen natürlichen Wellendämpfer bildet.

Für die frühen Walfänger und Robbenschläger auf Südgeorgien war Cooper Bay übrigens trotz dieses Schwells eine der beliebtesten Buchten, da anders als in den völlig geschützten Buchten wie Grytviken nicht das Risiko Bestand, aufgrund ungünstiger Winde eventuell eine ungeplante Überwinterung zu riskieren. Aufgrund der zwar geschützten aber nach zwei Seiten offenen Bucht bestand eigentlich bei jeder Windrichtung eine Chance auch ohne Maschinenantrieb aussegeln zu können.

Nachdem sämtliche Boote zurück an Bord sind entschließt sich Kapitän Natke und das Team noch zu einer besonderen Überraschung am Abend: Einer Fahrt in den Drygalski Fjord. Dieser rund 13 km lange Fjord bietet zwar nur wenig Tierwelt, dafür aber eines der beeindruckendsten Fjordpanoramen der ganzen Welt. Egal ob von den offenen Decks, aus dem Restaurant, dem Lido oder der Observation Lounge – es gibt wohl nicht einen Gast, der nicht von den Panoramen und Perspektiven fasziniert ist und als Kapitän Natke dann auch noch erläutert, dass als er vor knapp 30 Jahren zum ersten mal in den Drygalski Fjord fuhr der Gletscher am Ende des Fjords noch fast 3 km weiter in den Fjord hinein reichte, wird eben auch noch deutlich, dass es sich nicht nur um eine beeindruckende Natur handelt, sondern auch um eine Landschaft, die genauso unmittelbar von den Folgen des Klimawandels betroffen ist wie viele andere, und dass wenn es nicht gelingt diesen globalen Entwicklungen entgegenzusteuern, selbst dieser Fjord am Ende der Welt innerhalb kürzester

Zeit nicht mehr derselbe sein wird. Unmittelbar nach dem Verlassen des Fjordes setzt die HANSEATIC nature Kurs gen Südwest. Bis das nächste Ziel erreicht sein wird, steht morgen jedoch erst einmal wieder ein Seetag an. Nach zwei Tagen Südgeorgien mit einem absolut voll gepacktem Programm ist dies vielleicht aber auch gar nicht so schlecht.


Mittwoch, 11. Dezember 2019 (Auf See)


Nach zwei Tagen voller Anlandungen und Aktivitäten steht heute wieder einmal ein Seetag auf dem Programm und damit die Möglichkeit, den Tag ein wenig geruhsamer zu beginnen. Nichtsdestotrotz ist als erstes die erneute Bio Security Inspection fällig, denn es gilt auch zu verhindern, dass biologisches Material jeder Art versehentlich aus Südgeorgien in den Bereich der Antarktis verbracht wird. Dank der guten Mitarbeit aller Gäste ist diese Kontrolle jedoch schnell erledigt und die wenigen Stiefel, an denen sich noch ein wenig Guano oder anderes befand, schnell gereinigt. Um 10:00 Uhr beantwortet Stefanie Lilller endgültig die Frage: „Seebär, Seeelephant... Alles das selbe oder nicht ?“ Wer gestern am Strand möglicherweise ein wenig die Übersicht verloren hatte weiß spätestens jetzt, was eine Hunds- oder Ohrenrobbe ist und welche von diesen eben robbt, da die hinteren Flipper nach achtern ausgerichtet sind oder eher läuft, da die hinteren Flipper nach vorne gerichtet sind. Kleiner Hinweis, die mit den Ohren sind diejenigen, die wegen ihres Pelzes gejagt wurden und einem garantiert auch noch schnell auf den nächsten Stein folgen würden, wenn man denn den Fehler machen würde, bei einem Scheinangriff, die Flucht zu ergreifen.

Um 11:30 Uhr klärt Ingo Heidbrink die Frage von Mythos und Realität einer deutschen antarktischen Kolonie und dekonstruiert dabei endgültig alle Verschwörungstheorien, die sich immer noch in gewissen Gruppen finden lassen. Neuschwabenland war zwar der Name, der dem während der 1938/39 durchgeführten Deutschen Antarktischen Expedition dem erkundeten Gebiet gegeben wurde, aber hier hat es weder Ufos noch geheime U-Bootstützpunkte gegeben und erst recht kein Portal in die Innenseite einer hohlen Erde. Was es stattdessen während dieser Expedition gab war die großflächige Erkundung bislang nicht kartierter Bereiche der Antarktis und zwar vor allem erstmals mit einem systematischen Einsatz von Flugzeugen und Luftbildvermessung.

Das Vortragsprogramm des Tages wird schließlich um 16:30 von Sylvia Stevens abgeschlossen, die unter dem Titel: „Die Pinguine, kleine Herren (und Damen!) im Frack“ sowohl die bereits jetzt schon gesehenen Pinguinarten wie auch die weiteren Arten dieser erstaunlichen Seevögel vorstellt.

Im Re- und Pre-Cap blicken die Experten auf die Tage auf Südgeorgien zurück und Expeditionsleiter Arne Kertelhein stellt die Planungen für die kommenden Tage vor.


Den Tag beendet schließlich die Vorführung des Stummfilms South von Frank Hurley aus dem Jahr 1919, bei dem es sich insofern um ein absolutes Highlight der Antarktis- wie auch der Filmgeschichte handelt, denn der 80-minütige Stummfilm entstand unmittelbar während Shackleton’s legendärer Antarktisexpedition (1914-17) bei der Frank Hurley trotz aller Schwierigkeiten und Aussichtslosigkeiten nie aufhörte, weiter zu filmen oder es auch nur in Erwägung zu ziehen, Kamera und Filmmaterial möglicherweise als Ballast aufzugeben.


Position 58°02,6′ S, 040°42,4′ W, 0 °C

Sonnenaufgang: 02:33, Sonnenuntergang: 20:35 Donnerstag, 12. Dezember 2019 (Base Orcadas – Süd-Orkneyinseln)


Bereits am frühen Vormittag erreicht die HANSEATIC nature die Süd-Orkneyinseln und neben der faszinierenden antarktischen Inselwelt dieser extrem abgelegenen Inselgruppe sind es vor allem die ersten wirklichen Eisberge dieser Reise, die die Frühaufsteher unter den Gästen auf die offenen Decks ziehen. Um kurz vor 9:00 Uhr ist die argentinische Base Orcadas erreicht und es geht in die Zodiacs, um die Station zu besichtigen. Ein Stationsbesuch wie dieser ist insofern etwas ganz Besonderes, da es sich eben nicht um ein Museum oder eine Naturanlandung handelt, sondern eines der nationalen antarktischen Forschungsprogramme dazu einlädt, einmal einen Blick hinter die Kulissen einer ganzjährig besetzten Forschungsstation werfen zu können und zu sehen, wie es auf einer solchen Station wirklich aussieht. Wie alle argentinischen Antarktisstationen wird auch die Base Orcadas von der argentinischen Marine betrieben. Dennoch handelt es sich nicht um eine Militärstation im eigentlichen Sinne, sondern eine Forschungsstation. Im konkreten Fall sogar um die älteste kontinuierlich betriebene Station in der gesamten Antarktis.

Gegründet wurde die Station bereits im Jahre 1903 durch die Scottish National Antarctic Expedition, die diese jedoch nach kürzester Zeit an den argentinischen Staat übergab. Seither wird die Station kontinuierlich von Argentinien betrieben und somit gibt es hier einige der längsten kontinuierlichen Datenmessreihen in der gesamten Antarktis. Während die meisten übrigen Zeitreihen nur wenige Jahrzehnte zurückreichen, umfassen die Aufzeichnungen zu meteorologischen und ozeanographischen Basisparametern auf der Base Orcadas inzwischen mehr als ein Jahrhundert und erlauben so z.B. Einblicke in die Dynamiken der antarktischen Wetter- und Klimasysteme, wie sie nirgends sonst zu finden sind.

Der Rundgang durch die Station bietet aber auch die Chance, quasi ein antarktisches Architekturmuseum zu besuchen. Während die Überreste des Omond-House davon zeugen, was es hieß, sich auf eine ungeplante Überwinterung einzulassen und mit den wenigen verfügbaren Materialien eine Unterkunft zu errichten, zeigt die heute als Museum genutzte Casa Moneta wie im Jahr 1905 ein Stationsgebäude errichtet wurde. Auch bei der nächsten Generation an Gebäuden handelt es sich noch um mit Teerpappe verkleidete Holzrahmenbauten, doch ist der Fortschritt im Bereich von Isolierungen und vielen anderen

Details nicht zu übersehen. Die Gebäude dieser Generation werden übrigens auch heute noch genutzt und zwar als Unterkünfte für die Sommercrews, die zur Verstärkung der Überwinterungsbesatzung für wenige Wochen oder Monate im Sommer hier tätig sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kommen in der antarktischen Architektur dann auch erstmals moderne Materialien zum Einsatz und zwar insbesondere verzinktes Wellblech, das die Teerpappe endgültig ablöst. Die letzte hier zu sehende Gebäudegeneration ist dann die modular aufgebaute Hauptstation, die rein äußerlich ein wenig an einen Science Fiction Film der 1970er Jahre erinnert. Dank nicht brennbarer Materialien und der Verbindungstunnel zwischen den einzelnen Modulen bietet dieses Gebäude nicht nur einen extrem verbesserten Komfort während einer Überwinterung, sondern vor allem auch einen deutlich verbesserten Brandschutz. Feuer ist bis in die Gegenwart die größte Gefahr für jede Antarktisstation und dank der extrem trockenen Luft ist ein einmal begonnener Brand oftmals nur schwer zu beherrschen. In diesem Gebäude befindet sich dann auch die Messe der Station und dieargentinische Besatzung lässt es sich nicht nehmen, die Gäste auf einen Tee oder Kaffee in der bereits weihnachtlich geschmückten Messe einzuladen. Es werden auch einige Souvenirs zum Verkauf angeboten und angesichts dessen, dass die HANSEATIC nature hier ohne jede Anlandungsgebühr zu Gast sein kann, ist der Erwerb eines Souvenirs auch ein Weg sich für diese besondere argentinische Gastfreundschaft zu bedanken.

Neben den verschiedenen Gebäuden sind es aber vor allem auch die umfangreichen Funkantennen, die die Optik der Base Orcadas bestimmen. Bereits 1927 wurde hier die erste Funkstation in der Antarktis errichtet, die direkten Kontakt mit dem südamerikanischen Festland aufnehmen konnte. Mit dieser Funkstation kam das sogenannte heroische Zeitalter der Antarktisforschung auch zu seinem endgültigen Ende. Statt einzelner Forscher, die über Jahre isoliert in der Antarktis tätig waren, waren es jetzt Wissenschaftlerteams, die kontinuierlich mit ihren Instituten in Verbindung stehen konnten. Statt Helden wie Amundsen, Scott oder Shackleton waren es jetzt moderne Forscher, die in Forschungsgruppen und –netzwerken arbeiteten und nichtmehr die Helden der Erforschung der Antarktis waren, sondern die akademischen Arbeiter, die sich daran machten, die Antarktis nicht nur zu entdecken, sondern zu verstehen.

Nachdem auch noch der Friedhof der Station besichtigt ist geht es zurück an Bord und hier wartet bereits die traditionelle Pølserparty auf dem Pooldeck auf die zurückkehrenden Gäste. Gute Laune, Musik, anregende Getränke und das Eis ausnahmsweise mal nicht im Glas, sondern um das Schiff herum, lassen die Party zu einem unmittelbaren Erfolg werden.

Während der folgenden Fahrt längs der Insel zeigt sich ein antarktisches Panorama wie aus dem Bilderbuch. Die HANSEATIC nature bahnt sich ihren Weg zwischen Treibeisstücken hindurch und auf den Eisschollen, sind nicht nur Pinguine zu beobachten, sondern auch immer mal wieder ein Seeleopard. Die See ist ruhig und das einzige Geräusch, das zu hören ist, ist das laute Krachen des Eises wenn das Schiff trotz sorgfältigster Navigation einmal wieder mit einer kleinen Eisscholle kollidiert. Dank der Eisklasse der HANSEATIC nature, die zwar kein Eisbrecher im eigentlichen Sinne des Wortes ist, aber die höchste überhaupt mögliche Eisklasse für Fahrgastschiffe besitzt, bleiben diese Berührungen nicht nur folgenfrei, sondern bilden nicht einmal die kleinste Einschränkung für die Fahrt in Richtung Elephant Island. Nach dem Abendessen lädt Ingo Heidbrink ausnahmsweise einmal am Abend in das Hanse Atrium zu einem Vortrag der etwas anderes Art ein. Unter dem Titel „Esst mehr Fisch ...“ zeigt er wie sich die Werbung für Fisch im Laufe von rund einhundert Jahren entwickelt hat und bietet damit eine Konsum- und Designgeschichte des 20. Jahrhunderts, die aus heutiger Sicht sowohl zum Schmunzeln wie auch zum Nachdenken einlädt. Ob der Fisch jemals wirklich neidisch auf die Kuh war, weil diese in die Bratpfanne durfte und er nicht, sei dahingestellt, es ist aber eines der Motive, die sich durch die Fischwerbung sämtlicher deutscher Staaten des 20. Jahrhunderts wie ein roter Faden hindurchzieht.


Freitag, 13. Dezember 2019 (Point Wild - Elephant Island)


Heute Vormittag kann ein wenig länger ausgeschlafen werden, da Elephant Island erst im späten Mittag des Tages erreicht werden wird. Elephant Island, das heißt sich weiterhin auf Shackleton’s Spuren zu begeben und in diesem Fall genau an die Stelle zu gelangen, an der seine Männer unter der Führung von Frank Wild ausharren mussten, während er selbst sich mit vier weiteren Männern auf die risikoreiche Fahrt nach Südgeorgien begab, um dort die Rettung der gesamten Crew zu organisieren. Während die HANSEATIC nature jetzt die Reise der James Caird quasi in umgekehrter Richtung zurücklegt verwandet sich das Hanse Atrium zunächst wieder in einen Vorlesungssaal. Unter dem Titel: „Wale, sanfte Riesen der Weltmeere“ gibt Sylvia Stevens einen Überblick über diese faszinierenden Tiere und nur wenig später erläutert Heike Fries den geologischen Aufbau der Antarktis unter dem Titel: „Karambolagen, treulose Gefährten und ‚Abfallhaufen’ der Erdgeschichte“.

Im frühen Nachmittag ist es schließlich soweit und der legendäre Point Wild, also die Stelle an der Shackleton’s Männer ausharrten ist erreicht. Da eine Anlandung trotz der idealen Wetterbedingungen aufgrund der geringen Größe von Point Wild nicht möglich ist entscheidet sich das Expeditionsteam zu einer Zodiac-Cruise und so kann auch ohne an Land zu gehen, aus nächster Nähe die Stelle besichtigt werden, an der die 23 Männer darauf warteten, dass der Boss zurückkehren würde. Neben dieser historischen Stätte, an der sich heute eine Büste von Luis Pardo Villalon, dem Kapitän der Yelcho, des chilenischen Marineschleppers mit dem Shackleton’s


​Position 60°56,9′ N, 053°37,6′ W, -2 °C

Sonnenaufgang: 02:57, Sonnenuntergang: 22:12


​Männer letztendlich abgeborgen, wurden, befindet, gibt es natürlich auch noch de beeindruckende Natur und Landschaft dieses besonderen Ortes. Auch wenn Shackleton’s Männer vermutlich nicht unbedingt, die besondere Schönheit dieses Ortes genossen haben dürften, ist es für die Gäste der HANSEATIC nature vielleicht ebenso wichtig, die brütenden Kapsturmvögel und Zügelpinguine zu beobachten, oder die bizarren Felsformationen und Gletscherfronten sehen zu können, wie den eigentlichen historischen Ort. Glücklicherweise spielt das Wetter und die See mit und so wird die einstündige Zodiac-Cruise zu einem unvergesslichen Erlebnis. Dass sich selbst ein Seeleopard den meisten der Boote zeigt ist nur ein weiteres Highlight.

Zurück an Bord heißt es zunächst die allabendlichen kulinarischen Genüsse des Schiffes zu genießen bevor um 21:30 Uhr noch ein besonderes Highlight ansteht. Der Pianist des Schiffes, Helge Herr, lädt zu einem ganz besonderen Konzert ein: „Eine musikalische Reise in die Antarktis“ mit Werken von Mozart, Schubert, Liszt, Grieg und Anderen.

Bei noch immer nahezu spiegelglatter See dampft die HANSEATIC nature weiter durch die Nacht in Richtung des Antarctic Sound, der am frühen Vormittag erreicht sein wird, und damit zugleich in die unmittelbare Nähe des antarktischen Kontinents, der wenn alles wie geplant läuft, morgen dann auch endlich betreten werden wird.


Samstag, 14. Dezember 2019 (Brown Bluff, Weddell-Meer)


Für die Frühaufsteher steht mit der Passage durch den Antarctic Sound eine besonderes Highlight bereit. Die Durchfahrt zwischen der Antarktischen Halbinsel und den vorgelagerten Inseln Dundee, Joinville und D’Urville Island ist zugleich der Eingang in das Weddell Meer und damit eine Region der Antarktis, in der es von Eisbergen nur so wimmeln kann.

Zunächst geht es aber an Land. Die 745 m hohe Klippe Brown Bluff beherrscht das Panorama aber wichtiger noch, sie ist ein Teil des antarktischen Kontinents. Jeder Fahrgast, der aus dem Zodiac aussteigt betritt somit erstmals während dieser Reise das eigentlichen antarktische Festland. Ob dies den hier brütenden Esel- und Adeliepinguinen bewusst ist soll dahingestellt bleiben. Nach einem kurzen weg über den Strandwall sind die Brutplätze der Vögel erreicht und wohl niemand kann sich der Faszination entziehen, einfach nur zu beobachten, was in der Kolonie vor sich geht. Ein Teil der Tiere sitzt noch auf den Eiern, in anderen Nestern sind nur wenige Tage oder vielleicht auch nur Stunden alte Küken zu sehen, und stets sind die Skuas dabei, die Kolonie zu beobachten und zu sehen, ob sich nicht doch ein Ei oder Küken erbeuten lässt. Als besonderes Highlight zeigt sich sogar einer der extrem seltenen blonden Adeliepinguine. Bei diesen Tieren handelt es sich übrigens nicht um Albinos, da sie z.B. einen gefärbten Schnabel besitzen. Es ist ein Ort, an dem es gilt, die Natur einfach zu beobachten und zu genießen und sich darauf einzulassen, auf die kleinen Details zu schauen. Um 11:30 Uhr verlässt das letzte Zodiac die Landestelle und sobald alle Fahrgäste wieder an Bord sind passiert das, was vielleicht eines der typischsten Kennzeichen einer Expeditionskreuzfahrt ist: Es wird spontan umgeplant und Kapitän Natke gibt einen gänzlich neuer Plan für den Nachmittag bekannt. Es soll tief in den Süden des Weddell Meeres gehen, um einen riesigen Tafeleisberg zu erkunden.

Während der Reise gen Süden hält Wolfgang Wenzel seinen Vortrag „Leben im Meer“ in dem er einmal nicht einzelne Arten präsentiert, sondern das Zusammenspiel der einzelnen Organismen im Südlichen Ozean erläutert.

Bereits während der Fahrt gen Süden sind immer wieder einzelne Tafeleisberge ganz erheblicher Größe zu sehen. Anders als bei den Eisbergen der Arktis handelt es sich nicht um Bruchstücke von Gletschern, die direkt ins Meer kalben, und die aufgrund ihrer unkalkulierbaren Unterwasserformen ein erhebliches Risiko für die Schifffahrt bilden, sondern um große nahezu regelmäßig geformte Stücke, die von den Eisschelfen der Antarktis abbrechen. Mit einer nahezu ebenen Oberfläche und senkrechten glatten Seiten, die als Ermüdungsbrüche in den insgesamt mehrere Hundert Meter dicken Eisschelfen entstehen, erinnern sie von der Form an einen typisch amerikanischen Cake. Mit ihrem enormen Tiefgang von über 200 m liegen die meisten dieser Tafeleisberge auf Grund und stellen somit fuer die wenigen Schiffe in dieser Region zwar noch immer ein gewisses Risiko dar, aber eben eines, das von erfahrenen Nautikern äußerst präzise eingeschätzt werden kann. Tafeleisberge von mehreren Quadratkilometern Größe sind hier im Weddell Meer eher die Regel als die Ausnahme, aber Stücke von der Größe wie A68A bilden dann doch eher die Ausnahme. Sie entstehen wenn sich große Bereiche von den Eisschelfen lösen und diese sich lösenden Bereiche können durchaus auch einmal die Größe des Saarlandes haben. Einige der beeindruckendsten dieser riesigen Tafeleisberge sind Bruchstücke des Larssen Eisschelfs, der den Antarktisforschern insofern besondere Sorgen macht, weil er in den vergangenen Jahren einen erheblichen Teil seiner Fläche auf diesem Weg verloren hat. Der globale Klimawandel macht eben nicht vor der Antarktis halt und führt in einer ein wenig paradoxen Art und Weise dazu, dass derzeit mehr und vor allem auch größere Eisberge im Weddell Meer anzutreffen sind.


Position 63°26,9′ S, 056°43,1′ W, 0°C


Sonnenaufgang: 02:22 , Sonnenuntergang: 22:55


Nachdem sich im Larsen C Eisschelf bereits seit mehreren Jahren ein Riss beobachten ließ, war es im Juli 2017 schließlich so weit, dass sich A68A ablöste. Die seit dem von dem mit 82 Seemeilen Länge und 26 Seemeilen Breite gigantischem Eisberg zurückgelegte Strecke ist zwar vergleichsweise gering, aber er treibt gen Norden und irgendwann wird er so weit gen Norden gelangt sein, dass er in kleinere Teile zerbricht und diese dann schließlich schmelzen werden – ein Prozess der allerdings leicht Jahrzehnte andauern kann.

Kapitän Natke navigiert die HANSEATIC nature bis auf eine Entfernung von weniger als 250 m an den Eisriesen heran und gerade vom nature walk aus lässt sich die Größe gut erkennen oder doch vielleicht nur erahnen, da es letztlich unvorstellbare Dimensionen sind. Wohl jeder Mensch an Bord ist beeindruckt und in einer gewissen Form von dem Eindruck auch überwältigt. Am Abend steht dann mit dem Weihnachtsmarkt auf dem Pooldeck noch ein ganz besonderes Ereignis an. Jedes Department an Bord hat etwas vorbereitet und so hat auch dieser vielleicht südlichste Weihnachtsmarkt der Welt im Jahre 2019 von der Glühweinbude über den Bratwurstgrill, das Postamt, den Stand mit gebrannten Mandeln, die weihnachtliche Live Musik all das zu bieten, was sich auch sonst auf einem Weihnachtsmarkt findet. Selbst ein einarmiger Bandit, d.h. eine Glücksspielbude ist zu finden – allerdings ersetzen die Experten das Gerät und zeigen, dass sie nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Marktschreier und Spielbudenbetreiber einsetzbar sind. Die Erlöse des Weihnachtsmarktes kommen zu einem Teil der TUI-Care Foundation und zu einem anderen Teil der Mannschaftskasse der 31HANSEATIC nature zu Gute. Die gesamte Besatzung bedankt sich ausdrücklich für die vielen großzügigen Spenden kann aber auch nicht verleugnen, dass sie an dem Weihnachtsmarkt mindestens ebenso viel Freude hatte wie die Gäste.

Da der morgige Tag bereits früh beginnen wird muss allerdings auch dieser Weihnachtsmarkt irgendwann zu seinem Ende kommen während das Schiff bereits wieder gen Norden dampft, um das Weddell Meer zu verlassen und in Richtung Westseite der antarktischen Halbinsel zu versegeln.



Sonntag, 15. Dezember 2019 (Yankee Harbor, Whalers Bay - Deception Island)


Die Antarktis zeigt sich heute von ihrer untypischen Seite und der Tag beginnt mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Fast könnte man glauben in der Südsee zu sein, doch erinnern die schneebedeckten Berge und die doch ein wenig kühlen Temperaturen daran, wo sich die HANSEATIC nature tatsächlich befindet. Die für den Vormittag vorgesehene Landestelle ist Yankee Harbor und damit einer der Plätze, der bereits sehr früh in der Geschichte der Antarktis durch amerikanische Robbenfänger genutzt wurde. Am Strand sind noch einige wenige archäologische Relikte aus dieser Zeit des antarktischen Robbenfanges zu finden: ein sogenannter Trypot, also einer der stählernen Kessel in denen der Speck der Seeelephanten zu Tran verkocht wurde und das Fundament einer einfachen Steinhütte, die von den Robbenfängern errichtet wurde. Der Grund warum amerikanische oder eben Yankee Robbenschläger ihre Aktivitäten in die Antarktis verlagerten war der Rückgang der Pelzrobbenbestände im Nordpazifik bei einer weiterhin hohen Nachfrage nach deren Pelzen. Hier in der Antarktis gab es noch ungenutzte Pelzrobben- bestände und vor allem keine Hoheits- ansprüche anderer Nationen. Was lag also näher, als in den tiefen Süden der Welt zu segeln. Und wenn man schon einmal hier war, dann konnte ganz nebenbei noch ein wenig zusätzliches Geld mit der Gewinnung von Seeelephantentran verdient werden. Pelzrobben waren heute zwar nicht in Yankee Harbor zu finden, aber immerhin einige Seeelephanten und natürlich die zwar vor anderthalb Jahrhunderten ökonomisch uninteressanten, aber heute aus touristischer Sicht mindestens ebenso wie die Seeelephanten interessanten Eselspinguine. Ein kurzer Spaziergang am sonnenbeschienenen Strand erlaubt dann auch sowohl die Seeelephanten wie auch die Kolonie der Eselspinguine aus nächster Nähe zu beobachten. Es scheint geradezu so, dass auch die Tiere den Sonnenschein genießen und es zeigt sich nur vergleichsweise wenig Aktivität in der Kolonie. Bei genauem Hinsehen können jedoch die ziemlich frisch geschlüpften Küken der Pinguine dabei beobachtet werden, wie sie entweder von den Alttieren in der Brutfalte gewärmt oder gefüttert werden.

Zurück an Bord gibt Expeditionsleiter Arne Kertelhein eine Vorschau auf den Nachmittag und Heike Fries folgt aus gegebenem Anlass mit ihrem Vortrag über den Vulkanismus in der Antarktis. Gegebener Anlass insofern, als für den Nachmittag ein erneuter Höhepunkt auf dem Programm der Reise steht: Die Fahrt in einen aktiven Vulkan. Deception Island oder auf Deutsch die Täuschungsinsel ist eine noch immer aktiver Vulkan, dessen Caldera zusammengebrochen ist und unmittelbar mit dem Meer verbunden ist, so dass auch große Schiffe in sie hineinfahren können. Bereits die Passage von Neptune’s Bellows, also der Verbindung der offenen See mit der Port Foster genannten Caldera ist ein Highlight erster Güte. Die nur wenige hundert Meter breite Passage verbindet die offene See mit dem vielleicht best geschützten Naturhafen der gesamten Antarktis. Natürlich war dieser Naturhafen auch den Walfängern bekannt und wurde als Schutzhafen für die Fangschiffe genutzt, bis sich 1911 die norwegische Hector Whaling AS entschloss, hier eine Landstation aufzubauen. Diese südlichste Walfangstation der Welt war bis 1931 in Betrieb, da dann sowohl der Verfall der Weltmarktpreise für Walöl wie auch die Konkurrenz durch die Fabrikschiffe keinen weiteren Betrieb der Station rechtfertigten. Die Gebäude wurden allerdings bereits 1928 erneut genutzt, als Hubert Wilkins hier seinen ersten Flug in der Antarktis startete und dann wieder 1944 als Großbritannien im Rahmen der Operation Tabarin hier eine Forschungsstation aufbaute, die zugleich auch als Gegenpol zu möglichen Aktivitäten Nazi- Deutschlands in der Antarktis verstanden wurde. Diese Station wurde bis Ende der 1960er Jahre kontinuierlich betrieben, bis sie bei einem kleineren Ausbruch des noch immer aktiven Vulkans teilweise verschüttet wurde – zum Glück konnten alle Mitarbeiter in einer dramatischen Rettungsaktion geborgen werden.

Am Strand zeigt sich nicht nur die bizarre Landschaft in der Mitte eines Vulkans, sondern auch die teilweise verschütteten Überreste der Walfang- und der Forschungsstation. Die Gebäude, die allesamt als Denkmal geschützt sind, unterliegen einem Prozess, der als kontrollierter Zerfall beschrieben wird. D.h. sie sind von sämtlichen Schadstoffen befreit, aber ansonsten erfolgt keine Erhaltung, sondern sie dienen als Denk- und Mahnmal. Die Natur erobert sich diesen Platz zurück und es wird auch zugleich deutlich, wie der Mensch mit all seinem handeln auch immer wieder von der Natur begrenzt wird – die vom Schlamm verschütteten ehemaligen industriellen Anlagen zeigen eindeutig, wer auf die Dauer das Handeln bestimmt.

Für den Krill ist das heiße Wasser der Fumarolen zur Todesfalle geworden, so dass er gekocht am Strand liegt. Für die Gäste des Schiffes bietet dieses heiße Wasser jedoch die Möglichkeit, sich ein ganz besonderes Erlebnis gönnen zu können:

Den Erwerb der Mitgliedschaft im Deception Island Schwimmclub. Dank des heißen Wassers aus den Fumarolen ist das Wasser in unmittelbarer Strandnähe vergleichsweise warm und die Mutigen unter den Gästen gönnen sich ein kurzes Bad. Sobald man sich jedoch auch nur einige Meter vom Strand entfern wird man schnell daran erinnert, dass man im eiskalten Wasser der Antarktis schwimmt. Dank des sonnigen Tages gönnen sich zahlreiche Fahrgäste und auch Besatzungsmitglieder dieses einmalige Badeerlebnis bevor es zurück an Bord geht.



Sobald der Anker gehievt ist geht es erneut durch Neptune’s Bellows und die HANSEATIC nature nimmt Kurs auf die für den morgigen Tag geplanten Ziele.


Montag, 16. Dezember 2019 (Paradise Bay, Lemaire Kanal, Petermann Insel)


Die für den frühen Vormittag des Tages angesetzte Zodiac Cruise führt heute direkt ins Paradies, oder genauer in die Paradise Bay. Woher die etwas ungewohnte Bezeichnung dieser Bucht kommt ist ein wenig unsicher, aber sie wird immer wieder als eine der schönsten Buchten überhaupt in diesem Teil der Antarktis beschrieben. Bereits um 7:00 Uhr geht es für die ersten Gäste in die Boote und zunächst zur argentinischen Sommerstation Base Brown. Die 1951 errichtetet Station ist derzeit nicht besetzt, wird aber regelmäßig für kürzere Forschungskampagnen im meeresbiologischen Bereich genutzt. Traurige Berühmtheit erlangte die Station Brown als sie 1984 Opfer einer Brandstiftung wurde, bei der sie weitgehend zerstört wurde. Der Brandstifter war der Stationsarzt, der nachdem wiederholt seine Ablösung nicht gekommen war kein anderes Mittel mehr sah, um eine erneute Überwinterung zu vermeiden. Wenn aus einem ursprünglich geplanten Einsatz von 13-15 Monaten auf einmal nicht nur 24, sondern möglicherweise 36 Monate werden, sind auch irrationale Verzweiflungstaten nicht mehr auszuschließen. Die Station wurde nach dem Brand wieder aufgebaut und dient seither als reine Sommerstation.

Nach der Passage der Base Brown geht es zunächst an einer Königskormorankolonie vorbei in Richtung Gletscherfront. Dank des blauen Himmel und des Sonnenscheins zeigt sich die bizarre Gletscherwelt von ihrer besten Seite und die Farben des Eises erstrahlen in sämtlichen Weiss- und Blautönen. Die Zodiacs werden von ihren Bootsführern sicher zwischen den Eisstücken hindurchnavigiert und es geht bis auf einen sicheren Mindestabstand von wenigen Hundert Metern an die Gletscherfronten heran. Dieser Abstand ist unbedingt notwendig, da sich jederzeit hochhausgroße Eisstürme vom Gletscher losen und in die Bucht stürzen können. Dabei ist der entstehende Minitsunami noch nicht einmal das größte Risiko. Vielmehr sind es einzelne unter den großen Eisblöcken herausschießende kleinere Stücke, die als sogenannte Shooter mehrere Hundert Meter weit über die Wasseroberfläche geschleudert werden können und mit ihrem beträchtlichem Gewicht ein tödliches Risiko sind, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten wird. Einige Boote bekommen eine Krabbenfresserrrobbe zu Gesicht und sämtliche Boote werden zeitweilig von neugierigen Eselspinguinen begleitet. Nach einer Stunde Rundfahrt voller phantastischer Aus- und Einblicke, hat die Hotelcrew am noch immer frühen Vormittag noch eine kleine besondere Überraschung parat. Zum ersten Mal auf dieser Reise ist die Marina am Heck der HANSEATIC nature geöffnet und es wird heißer Kakao mit oder ohne Rum, auf besonderen Wunsch vielleicht sogar auch Rum ohne Kakao, direkt im Zodiac serviert.

​Anschließend geht es zurück an Bord und das Schiff nimmt Kurs gen Süden, in Richtung Lemaire Kanal. Wann dieser erreicht sein wird lässt sich nur schwierig vorhersagen, da die Gerlache Straße, die Haupt Nord-Südverbindung in diesem Teil der Antarktis von viel Eis bedeckt ist. Dank der Eisklasse der HANSEATIC nature ist dies zwar keine wirkliche Schwierigkeit, doch ist die nutzbare Geschwindigkeit bei der anspruchsvollen Navigation durch das treibende Eis um einige Knoten niedriger, als sie in mehr oder minder freiem Wasser sein könnte. Wie so oft auf dieser Reise heißt es wieder einmal, flexibel zu sein. Dank des Panoramas links und rechts der Gerlache Straße sowie des Eises ist der Weg aber eindeutig heute auch einmal wieder zugleich das Ziel. Egal ob vom Nature Walk, aus der Observation Lounge, von den offenen Decks oder auch aus den Restaurants oder der Kabine – es dürfte sich nahezu kein Platz an Bord finden lassen, von dem aus nicht kontinuierlich ein faszinierendes Panorama aus zu beobachten ist.

Kurz vor dem Erreichen des Lemaire Kanals lässt die Eisbedeckung dann glücklicherweise ein wenig nach und so wird die an ihrer engsten Stelle nur 720 m breite Meerenge zwischen dem antarktischen Festland und der Booth Insel doch noch am frühen Nachmittag erreicht. Der von Adrien Gerlache während der Belgica Expedition nach dem belgischen Afrikareisenden Charles Lemaire benannte Kanal ist nicht nur eine der schönsten, sondern auch eine der viel befahrenen Passagen der Antarktis. Eine tiefe Wolkendecke verhindert den Blick auf das an sonst eindrucksvolle Bergpanorama; aber auch unter diesen Wetterbedingungen ist die Passage ein eindrucksvolles Erlebnis.

Nachdem der Lemaire Kanal erfolgreich passiert ist geht es zur südlich davon gelegenen Petermann Insel. Mit 65°10,5′ S wird hier auch die südlichste Position dieser Reise erreicht. Und wieder geht es in die Zodiacs um auf Petermann Island anzulanden. Benannt nach dem deutschen Geographen August Petermann, der nicht nur Begründer der erst im Jahr 2006 eingestellten Zeitschrift „Petermanns Geographische Mitteilungen“ war, sondern auch Initiator der Ersten Deutschen Nordpolarexpedition im Jahre 1868 war, bietet die Insel nicht nur erneut die Möglichkeit, brütende Eselspinguine zu beobachten, sondern auch die Chance nach einer kleinen Wanderung einen sogenannten Eisbergfriedhof zu überblicken. Für die sportlich ambitionierten Fahrgäste werden die Schneeschuhe ausgepackt, und es wird eine kleine Wanderung durch den tiefen Schnee angeboten.

Neben viel Natur ist die argentinische Schutzhütte Groussac zu sehen und auch das Gedenkkreuz für die drei 1983 bei einer Ski-Exkursion umgekommenen Mitglieder der britischen Farraday Station.


Position 64°38,5′ , S062°35,7′ W, -1°C,

Sonnenaufgang: 02:14, Sonnenuntergang: 23:54


Um 20.00 Uhr verlässt das letzte Zodiac die Insel und die HANSEATIC nature dreht auf Nordkurs, um zunächst erneut durch den Lemaire Kanal zu gehen und im späteren Abend in der Gerlache Straße gen Norden zu dampfen. Ein Tag, der im Paradies begonnen hat neigt sich seinem Ende zu und man mag kaum glauben, dass man nicht mehr im selbigen ist.


Dienstag, 17. Dezember 2019 (Orne Harbour, Cuverville Island)


Der letzte Expeditionstag dieser Reise beginnt mit der morgendlichen Anlandung in Orne Harbour. Dieser nach einem norwegischen Walfänger benannte Naturhafen bietet dann direkt die Möglichkeit, den Tag an Land mit ein wenig Frühsport zu beginnen. Unmittelbar von der Landestelle aus geht es in Serpentinen im Schnee steil aufwärts auf einen nahezu 80 m über der Meereshöhe gelegenen Aussichtspunkt, der insofern noch eine Überraschung beinhaltet, als sich auf der Höhe ebenfalls eine Kolonie von Zügelpinguinen befindet. Die Tiere benötigen für den Aufstieg rund eine Viertelstunde und sind damit im Schnitt mindestens so schnell vom Strand auf der Höhe wie die meisten Fahrgäste. Aber auch für diejenigen, die sich dazu entschlossen haben, nicht den gesamten Aufstieg zu bewältigen bieten sich von jeder Höhe faszinierende Blicke über Orne Harbour. Die HANSEATIC nature wirkt angesichts der hohen Berge, deren Spitzen in den tief hängenden Wolken versteckt sind, schon fast klein und zerbrechlich. Auf der Höhe selbst befindet man sich bereits in den Wolken und so bekommt der Vormittag für diejenigen Fahrgäste, die den ganzen Weg auf sich genommen haben, schon einen nahezu surrealen Charakter.

Zurück an Bord heißt es eine vergleichsweise kurze Mittagspause zu genießen, denn die nächste Anlandestelle ist nur wenige Seemeilen entfernt. Auf Cuverville Island sind die Eselspinguine noch einmal die Stars der Reise. In den Kolonien herrscht reges Treiben und es lässt sich gut beobachten, wie die Tiere mit äußerst kritischem Blick die wirklich am besten geeigneten Steinchen für den Nestbau auswählen. Bei Näherer Betrachtung sind natürlich gerade die Steinchen am besten geeignet, die ein anderes Pärchen gerade genutzt hat und so kann beobachtet werden, wie die Steinchen erst in ein Nest eingebaut werden, um nur wenige Minuten später für die Verwendung in einem anderen Nest geklaut zu werden. Ebenso gut lässt sich beobachten, wie besonders schöne Steinchen der jeweiligen Partnerin oder dem jeweiligen Partner als Zeichen besonderer Zuneigung überreicht werden. Ein Verhalten, dass sich in einer nur wenig abweichenden Variation ja auch beim Menschen beobachten lässt, auch wenn es dort ein wenig andere Steinchen sind.

Nach gut 90 Minuten an Land ist es dann allerdings soweit, dass auch diese letzte Anlandung der Reise ihrem Ende entgegen geht. Als ein kleines Highlight zum Schluss führt der Weg der Zodiacs jedoch nicht direkt zurück zum Schiff, sondern zunächst noch zu einem kurzen Cruising zwischen den in der Bucht gestrandeten Eisbergen. Zwei der Eisberge waren wenige Minuten vor dem Cruising noch gekentert und haben erst langsam ihre neue zumindest vorübergehend stabile Position gefunden. Dank der Umsicht und Erfahrung der Zodiacfahrer war es jedoch möglich, in unmittelbare Nähe der Eisberge zu gelangen und doch stets einen ausreichenden Abstand von den Eisbergen zu halten, die durch ein Kentern ein eventuelles Risiko darstellen könnten. Da inzwischen auch die Sonne herausgekommen ist, zeigen sich sowohl die Eisberge wie auch das antarktische Panorama in ihrer ganzen Farbenpracht.

Zurück an Bord hat die Hotelcrew eine Champagnerbar auf dem Nature Walk aufgebaut und es gilt mit einem Glas Champagner in der Hand von der Antarktis allmählich Abschied zu nehmen. Als ob die Natur dies gewusst hätte zeigen sich in unmittelbarer Nähe des Schiffes Buckelwale und es ist nicht nur eine kurze Sichtung, sondern die Tiere zeigen immer wieder die Fluken und schwimmen in einer solchen Nähe am Schiff entlang, dass selbst die Flipper unter der Wasseroberfläche zu erkennen sind. Wenn man es nicht selber erleben würde, dann würde man es entweder für Kitsch oder die Phantasie eines Prospektschreibers halten, doch so surreal es erscheinen mag, es ist real. Als sich dann sogar noch einige Schwertwale zeigen ist ein perfekter Tag in der Antarktis noch perfekter oder um die grammatikalisch an sich unzulässige Variante zu benutzen, am perfektesten. In diesem Fall ist selbst der Superlativ des Wortes perfekt zulässig und vielleicht der einzig passende Begriff für diesen Abschied aus der Antarktis. Postkartenblauer Himmel, schneebedeckte Berge, in der Sonne erstrahlende Eisberge und eine Gruppe von rund 40 Schwertwalen in der Gerlache Straße – was kann man sich noch mehr wünschen, um sich langsam von dem Kontinent zu verabschieden, der normalerweise eine der Regionen der Erde ist, die durch die lebensfeindlichsten Bedingungen geprägt wird, die sich auf dem ganzen Planeten finden lassen. Irgendwann ist es aber so weit, dass es wirklich endgültig heißt, Abschied zu nehmen, und die HANSEATIC nature setzt Kurz Nord auf die Drake Passage.


Mittwoch, 18. Dezember 2019 (auf See – Kurs Ushuaia)


​Positzion 60°45,2′ S, 064°22,1′ W, 2°C

Sonnenaufgang: 03:35, Sonnenuntergang: 22:57


Am ersten von zwei Seetagen, die die HANSEATIC nature benötigen wird, um die Reise durch die Drake Passage zu bewältigen, heißt es zunächst nach erlebnisreichen, aber eben auch anstrengenden Tagen in der Antarktis auszuschlafen.

Selbstverständlich ist auch die Ocean Academy wieder von den Experten besetzt und diese stehen nicht nur bereit, um jede noch offenen Frage zu den vergangenen Tagen zu beantworten, sondern vor allem auch, um unter dem Mikroskop ein wenig von der biologischen Vielfalt im Meerwasser zu zeigen. Die hierfür notwendigen Proben wurden am gestrigen Tag genommen und so kann jetzt in vielfacher Vergrößerung das gesehen werden, was sich dem bloßen Auge nicht wirklich erschließt, aber die Grundlage allen marinen Lebens in der Antarktis ist.

Um 10.00 Uhr präsentiert Ingo Heidbrink seinen Vortrag zur Schifffahrt um Kap Hoorn und zeigt nicht nur, wie das Leben an Bord der legendären Windjammer in diesem Teil der Welt tatsächlich war, sondern vor allem auch, warum gerade auf der Route um das Kap Hoorn herum Segelschiffe deutlich länger eingesetzt wurden, als auf nahezu jeder anderen der Weltschifffahrtsrouten. Unmittelbar im Anschluss folgt ein ganz besonderer Vortrag. Diesmal ist es keiner der Experten dieser Reise, sondern Ranga Yogeshwar, der als Gast bei dieser Reise an Bord war, und unter dem Titel „Künstliche Intelligenz: Mensch und Maschine – wer programmiert wen?“ eine der wichtigsten Zukunftsfragen der Menschheit diskutiert. Mit Sicherheit ist es ein besonderes Erlebnis den bekannten Wissenschaftsjournalisten einmal nicht nur im Fernsehen, sondern live zu erleben.

Am Nachmittag ist dann die Ocean Academy wieder mit den Experten besetzt und Wolfgang Wenzel beendet das Vortrags- programm des Tages unter dem Titel „Apotheke Meer“. In einem vorletzten Re-Cap halten die Experten am frühen Abend noch einmal Rückschau auf die Reise und präsentieren kurze Beiträge zu Themen, die neben aller inhaltlicher Ernsthaftigkeit vielleicht auch ein wenig zum Schmunzeln anregen.

Bereits weit auf See findet mit dem traditionellen Farewell Cocktail noch einmal einer der Höhepunkte der Reise statt. Es tritt der Shanty-Chor der HANSEATIC nature auf und zeigt, dass es sich bei der Tradition des Shanty keinesfalls nur noch um eine folkloristische Tradition der Küstenstädte handelt, sondern, dass diese Tradition auch noch an Bord von seefahrenden Schiffen aktiv gelebt wird. Entsprechend der multinationalen Besatzung der HANSEATIC nature kommen sowohl Lieder in Deutsch und Englisch wie auch eines von den Philippinen zu Gehör. An der musikalischen Qualität mag eventuell im Einzelfall gezweifelt werden, aber keinesfalls an der Authentizität dieses Seemannschores, dessen Mitglieder alle in den unterschiedlichsten Funktionen an Bord der HANSEATIC nature als Seefahrer tätig sind und für die viele der besungenen Themen von Abschied, Trennung, Ferne und Wiedersehen noch immer ein Teil ihres persönlichen Alltags sind. Vor allem ist der Shanty aber auch eine Gelegenheit, für Besatzungsmitglieder aus den unterschiedlichsten Departments des Schiffes zusammen zu kommen und gemeinsam Spaß zu haben. Diesen haben die Fahrgäste hoffentlich auch und so geht der vorletzte Abend an Bord vor allem mit guter Laune seinem Ende entgegen.


Donnerstag, 19. Dezember 2019 (auf See – Kurs Ushuaia)


Der letzte Tag dieser Reise beginnt mit vergleichsweise ruhiger See und Sonnenschein über der Drake Passage. Eine gute Gelegenheit, noch einmal über all das Erlebte der vergangenen Tage nachzudenken, Fotos zu sortieren und Adressen zu tauschen, um auch künftig mit den Menschen in Kontakt bleiben zu können, mit denen Sie die Antarktis erleben durften.



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